NA:Ca. 140 Tage im Job, was kommt Ihrer Meinung nach zu kurz?

MS: Das Zuhause. Ich habe zum Glück einen sehr emanzipierten Mann, dem ich sehr dank- bar bin, dass er momentan viel auffängt, was bei mir hinten runterfällt. Darum müssen sich im Job auch noch ein paar Dinge verändern. Aber das kommt, aller Anfang ist schwer.

NA!: Wie haben Sie es geschafft, sich in Bremen an die Spitze der Politik durchzusetzen?

MSEhrlichkeit gegenüber und Nähe zu Bürge- rinnen und Bürgern sind da ganz wichtig. Und man muss für seine Überzeugungen einstehen. Dafür muss man dann eben als Politikerin auch mal dahingehen, wo es weht tut. Und auch nichts versprechen, was man nicht einhalten kann. Das ist ganz wichtig, wenn man von den Bürgerinnen und Bürgern ernst genommen werden will. Und dann habe ich sicherlich auch viel von anderen profitiert. Matthias Güldner zum Beispiel, von dem ich den Fraktionsvorsitz übernommen habe und dessen Stellvertreterin ich vier Jahre sein durfte.

NA!: Ihr Amt ist u.a., die Stadt zu entwickeln. Wie wirkt die Senatorin für Stadtentwicklung dem Einzelhandelssterben entgegen?

MS: Der Einzelhandel in der Stadt stirbt, weil der Onlinehandel und die großen Einkaufs-center auf der grünen Wiese immer mächtiger werden. Dagegen hilft meiner Überzeugung nach nur eine höhere Aufenthaltsqualität in der City. Autofrei, mehr Grünflächen, mehr Gastronomie und mehr Wohnen, um die Innenstadt auch nach Ladenbeschluss belebt zu halten. Kopenhagen, Amsterdam und Groningen sind da sehr gute Vorbilder.

NA!: Was ist in Bezug auf die Stadtentwicklung in Bremen-Nord das drängendste Thema? Was können Sie tun?

MS: Ich bin erstmal sehr froh, dass wir gerade das Gebiet rund um das ehemalige Haven NA! | 23 zusätzlich verstärkt umsetzen müssen, das ist das Entwicklungs Höövt umkrempeln. Was wir konzept Grohner Düne. Dann entstehen gerade sehr spannende Pläne rund um das Hartmann-Stift und die Bremer Woll-Kämmerei. Zudem schaue ich mir an, wie wir auch die Lagen am Wasser besser erschließen und entwickeln können. Gerade für das Blumenthaler Zentrum gibt es dort viel Potenzial, um es zu stärken. Wir müssen uns aber auch intensiv um Lüssum kümmern.

NA!: Wie nachhaltig ist ihr persönlicher Lebensstil?

MS: Ich teile mir einen Dienstwagen mit Finanzsenator Dietmar Strehl und Sozialsenatorin Anja Stahmann und nutze meistens die Bahn. In der Innenstadt bin ich mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV unterwegs. Privat fahre ich einen Drei-Liter-Kleinwagen, mache aber fast alles mit dem Rad. Ich kaufe gerne regional und bio ein, achte auf vernünftige Mülltrennung, unser Haus hat eine Solarthermieanlage auf dem Dach und ist komplett gedämmt. Seit Ewigkeiten beziehen wir Ökostrom. Insgesamt bin ich recht nachhaltig unterwegs. Aber zugegeben: Das klappt auch bei mir nicht immer vorbildlich. Beim Plastikfasten habe ich dieses Jahr zum Beispiel gemerkt, dass ein 100prozentiger Verzicht nicht möglich ist, selbst wenn man sich noch so anstrengt, nachhaltig einzukaufen.

NA!: In wie fern sind die Grünen eine Volkspartei?

MS: Ich mag diese Pauschalisierung nicht. Was soll das sein? Die Grünen sind eine Partei, die für Ideale steht, für die sie lange gekämpft hat, für die sie oft verprügelt wurde. Dass wir jetzt Mitglieder und Stimmen gewinnen, wo sich herausstellt, dass wir in der Vergangenheit nicht schwarzgemalt haben oder einfach eine Verbotspartei waren, sondern ernsthafte Politik gemacht haben, spricht für unsere Politik und unsere Inhalte. Wenn sich dem immer mehr Bürgerinnen und Bürger anschließen, dann freut mich das. Aber deshalb sind wir weiterhin die Grünen und keine Volkspartei.

NA!: Grün sein muss man sich auch leisten können, oder?

MS: Das sehe ich anderes. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ernähren Sie sich mit regional erzeugten Biolebensmitteln, dafür aber nur noch zweimal Fleisch in der Woche. Das ist erstens gesünder, zweitens kostenneutral und drittens ökologisch sinnvoll. Oder vergleichen Sie mal die realen Gesamtkosten eines Autos mit dem Preis eines Monatstickets. Klar: Grün muss man wollen. Und wenn eine ökologische Wende zu höheren Verbrauchspreisen führt, müssen wir schauen, wie wir das sozial abfedern. Aber weiter unser Grundwasser mit Gülle zuschütten und Billigfleisch aus Käfighaltung mit hohem Antibiotikaeinsatz zu essen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

NA!: Sollten die Grünen einen Kanzlerkandidaten stellen?

MS: Warum fragen Sie nicht nach einer Kanzlerkandidatin? Im Ernst: Die Frage stellt sich momentan nicht.

NA!: Wenn alle grün sind, haben sich die Grünen dann erledigt?

MS: Glaube ich nicht, denn nur die Grünen sind das Original. Trotzdem wäre es toll, wenn alle grün sind. Dann hätten wir eine bessere Welt (schmunzelt).

NA!: Warum Bremen-Nord und nicht Schwachhausen?

MS: Weil Bremen-Nord überschaubar, maritim, und ruhig ist. Bremen-Nord hat einfach eine sehr hohe Lebensqualität. Es gibt das Wasser, aber auch wunderschöne Parks. Hier ist der Zusammenhalt unter den Menschen noch viel größer als in der Innenstadt, in der man oft nicht weiß, wer links und rechts von einem wohnt. Und in Schwachhausen wohnt mein Pressesprecher, der immer aufpasst, was ich sage. Bremen-Nord ist also auch ein Stück Urlaub für meine große Klappe (grinst).

NA!: Die schönsten Ecken in Bremen-Nord oder dem Umland?

MS: Ich mag hier in Vegesack unseren schönen Hafen, zumal ich selbst Seglerin bin. Und Knoops Park ist für mich immer wieder ein Stück Erholung pur.

NA!: Bremen und was sonst?

MS: Für mich ist Natur und Was- ser sehr wichtig. Ich liebe es, mit meiner Familie segeln zu gehen. Ansonsten entspanne ich mich beim Imkern, was ich mit meiner Freundin zusammen mache. Wir haben dieses Jahr echt viel Honig geerntet.

NA!: Haben Sie heimliche Laster? MS Ist Schokolade ein Laster? NA! Wie stellen Sie sich Ihren Ruhestand vor?

MS: Jetzt machen Sie mich älter als ich bin. Jetzt wird erstmal der Senat gerockt. Und wenn es dann mal soweit ist, dann hoffe ich auf einen unruhigen Ruhestand. Ich bin kein Typ der seelenruhig auf dem Sofa sitzt und Fernsehen guckt. Das mache ich fast nie. Ich will dann auch weiterhin ein bisschen Rock `n´ Roll im Leben, Freunde besuchen und mich für Dinge, die mir wichtig sind, engagieren.

NA!: Zu guter Letzt geben Sie uns doch bitte noch einen Tipp, wie man mit Stress umgeht.

MS: Schokolade essen (lacht). Im Ernst: immer ein Schritt nach dem anderen gehen und nie die gesamte Strecke vor Augen haben. Ich bin bisher damit gut gefahren im Leben. Und vor allem: sich selber nicht zu wichtig nehmen.

Maike Schaefer (* 2. Juni 1971 in Schwalmstadt) ist eine deutsche Biologin, Politikerin (Bündnis 90/ Die Grünen) und seit Juni 2015 die Fraktionsvorsitzende ihrer Partei in der Bremischen Bürgerschaft, der sie als Abgeordnete seit 2007 angehört. Bei der Bürgerschafts- wahl in Bremen 2019 war sie die Spitzenkandidatin der Grünen. Seit August 2019 ist sie Stellvertreterin des Präsidenten des Senats und Bürgermeisterin von Bremen sowie Bremer Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwick- lung und Wohnungsbau im Senat Bovenschulte. Biografi e: August 2019 Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau der Freien Hanse- stadt Bremen 2015-2019 Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen in Bremen 2011-2015 Stellvertretende Fraktionsvorsit- zende Bündnis 90/Die Grünen in Bremen 2007-2019 Mitglied der Bremischen Bürger- schaft 2004-2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UFT) der Universität Bremen 1999-2004 Promotion im Bereich Risikoab- schätzung von Umweltchemikalien im Rahmen eines Bodensanie-rungsprojektes an der Universität Bremen 1997-1999 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UFT) der Universität Bremen 1991-1997 Studium der Biologie an der Uni- versität Bremen Das Team der Redaktion NA! bedankt sich herzlich bei Maike Schaefer für das Interview!

Maike Schaefer

Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität,

Stadtentwicklung und Wohnungsbau der

Freien Hansestadt Bremen