Buchbesprechung zu Letztendlich sind wir dem Universum egal von David Levithan

Die Rezension ist eine Buchrezension und bezieht sich ausdrücklich nicht auf den gleichnamigen Kinofilm. Jeden Morgen wacht A in einem anderen Körper auf, in einem anderen Leben. Nie weiß er vor- her, wer er heute ist. A hat sich an dieses Leben gewöhnt und er hat Regeln aufgestellt: Lass dich niemals zu sehr darauf ein. Falle nicht auf. Hinterlasse keine Spuren. Doch dann verliebt A sich unsterblich in Rhiannon. Mit ihr will er sein Leben verbringen, für sie ist er bereit, alles zu riskieren – aber kann sie jemanden lieben, dessen Schicksal es ist, jeden Tag ein anderer zu sein? Wenn man den Amazon-Text zu David Levithans bereits 2014 erschienenem Buch liest, befürchtet man irgendwas zwischen der marshmallowartigen Konsistenz eines Hollywoodplots wie von Täglich grüßt das Murmeltier und die Vorhersagbarkeit einer penetrant-sonnigen und vorhersehbaren Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer antiseptischen Freakshowkulisse im Stile eines David Safi er: Doch Levithan überrascht mit einem Buch, das sich weder in technischen Details der Seelenwanderung verliert, noch die Liebesgeschichte in den Vordergrund stellt.

Letztere ist ungewöhnlicherweise eher die Kulisse, vor deren Hintergrund der Autor Implikationen seiner Idee in einer Form auslotet, die weit über die Handlung hin- ausgeht und in der Frage mündet, was zu unserer Identität gehört, wenn wir Geist und Körper trennen, was von beidem uns definiert und in wieweit das eine Herrschaft über das andere hat. Die Idee des Menschen, der jeden Tag woanders als jemand anderer aufwacht, gleicht einer Reise durch den Querschnitt der amerikanischen Gesellschaft und erspart dem Leser nicht viel Leid. Der quälende Tag der illegal eingewanderten Haushaltshilfe wird ebenso ohne Pathos und fast schon distanziert durchlebt wie diverse Erscheinungsformen des amerikanischen Mittelstands und Situationen voller Angst, Schuld und Leid. Die Flüchtigkeit des Glücks ist allgegenwärtig, nicht nur wenn man weiß, dass das Leben morgen anders aussehen wird. Lässt sich die Liebe eines anderen Menschen übertragen, wenn der Geist konstant, der Körper aber nicht konstant ist?

Kann sich Liebe am Körper orientieren, wenn der Geist ein anderer ist? Bestimmen der Geist oder der Körper unser Leben? Der Roman beschreibt das zähe Ringen zwischen dem sucht-gequälten Körper eines Junkies mit dem Überlebenswillen des Geistes, den Versuch eines depressionskranken Körpers den Geist in die dumpfe Schwärze der Krankheit zu ziehen und wirft in präziser Klarheit die hochaktuelle Frage auf, welche Bedeutung unterschiedliche Geschlechter überhaupt haben können, wenn der Geist konstant, der Körper aber austauschbar ist. Dabei bleibt Levithan immer glaubwürdig und widersteht allen Versuchungen, in Klischees abzugleiten. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Autor eigentlich Jugendbuchautor ist. Letztendlich mündet das Buch in der Frage der eigenen Persönlichkeitsrechte und deren Grenzen.

Was ist erlaubt und wo endet unsere persönliche Freiheit, wenn jede Entscheidung auch immer einen anderen Menschen betrifft? Mit diesem Buch hat Levithan einen Themenkomplex aufgetan, der so vielschichtig ist, dass sich bei Weitem nicht alle Facetten im Rahmen eines Romans be-leuchten lassen. Leider versucht Levithan die Geschichte immer wieder einzufangen, in dem er seine Figuren die Fragen formu- lieren und auch beantworten lässt, was etwas trivialisiert und mitunter wie ein Bruch im Fluss der Erzählung wirkt, dem Sog des Buches aber letztendlich keinen Abbruch tut. Es gibt Bücher, die lange im Leser nachhallen, weil man sich fragt, was wohl die Protagonisten gera- de machen. Das tut dieses Buch weniger, eher lässt es den Leser mit Fragen und Denkansätzen darüber zurück, was uns eigentlich ausmacht. Titel: Letztendlich sind wir dem Universum egal

Autor: David Levithan Taschenbuch: 416 Seiten Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 7 ISBN-10: 3596811562