Was haben wir es doch schön hier im Norden von Bremen: zwei Flüsse, oben die Bremer Schweiz, gegenüber die Wesermarsch, nicht weit weg das Moor – und etwas weiter weg die Nordsee.  Und innen drin: die Bachtäler von Auen und Beeken, die Parks, das Werderland und die grünen Ränder entlang der Flüsse: Heimat für 100.000 Leute. Der Landschaftsraum und seine Flüsse verbinden uns mit den umliegenden Gemeinden und Städten wie Ritterhude, Osterholz-Scharmbeck, Worpswede, Ritterhude, Schwanewede, Leuchtenburg, Lemwerder, Elsfleth usw.

Es gibt auch eine lange touristische Tradition: Mehrere Flussdampfer brachten ab dem Ende des 19. Jahrhunderts jedes Wochenende Massen von Menschen – meistens Bremer – nach Vegesack, zum Strand und zur -lust. Von da aus gab es Bootsausflüge die Lesum hinauf, vorbei an den Villen und Gärten reicher Bremer Kaufleute bis nach Burg und Marßel. Von den Anlegestellen aus wanderte man mit Kind und Kegel hinauf in die „Bremer Schweiz“, denn Berge kannten die Bremer ja sonst nicht!

Adam Storck schrieb 1822: „Wenn die Bremer sich den Anblick der Gebirgsländer im Kleinen verschaffen wollen, so wallfahrten sie nach St.Magnus.“         Lüder Halenbeck, ein Vegesacker Lehrer, hat 1893 seine Ausflüge in Bremens Umgebung beschrieben und zur Nachahmung empfohlen; für Vegesack gibt es eine „Excursionskarte“, die sich vom Werderland bis Meyenburg und von Rekum bis Osterholz erstreckt. Wie man solche Strecken damals zu Fuß schaffen konnte, ist heute kaum vorstellbar; aber es gab damals immerhin in jedem Dorf ein Gasthaus.

1904 erscheint das 300 Seiten starke Bremer Wanderbuch von Fr. Steudel: ein Führer für Fußgänger, Radfahrer und Schlittschuhläufer. Er schwärmt davon, dass Lesum-Vegesack (entlang der Lesum) „mit zum Schönsten, jedenfalls Anmutigstem gehört, was Bremens Umgebung aufzuweisen hat“ (S. 239 ).

1905 wird der Verkehrsverein Vegesack gegründet, schließlich bildet sich um 1930 ein Verkehrsverband „Bremer Schweiz“. Man versucht die Bremer mit warmen Worten in den Norden zu locken: … unser Ländchen bietet eine Fülle seiner Reize, dort führen den Wanderer zahlreiche Wege zu stets neuem Genuss …! Wohlgemerkt: Der Norden bestand zu dieser Zeit aus vielen kleinen Gemeinden, von Lesum über Aumund bis Rekum, zusammengefasst in den Preußischen Landkreisen Osterholz und Blumenthal; nur Vegesack war schon länger bremisch. Erst 1939 fand die Eingemeindung nach Bremen statt und ab da hieß dieses politische Gebilde: Bremen-Nord, mit den Stadtteilen Blumenthal, Vegesack, Burglesum. Dieser Schock war wohl so groß, dass niemand mehr über die schöne Landschaft sprach, über die Besonderheit des Landschaftsraums, sondern der Norden macht den Bremern dauernd Sorgen.

Auch das Wandern ist in dieser schnellen Zeit aus der Mode gekommen. Die Leute rennen lieber, nennen es Joggen oder Walken, ziehen sich bunte Klamotten an, oder schwitzen auf den Laufbändern in den Fitness Clubs: indoor und mit Kopfhörer, völlig bewusst- und humorlos. Doch das Wandern wird auch wieder Freunde finden. Wir müssen uns nur erinnern, wofür es gut ist und warum wir es brauchen. Und da sollten uns ein paar wackere Wanderer aus früheren Jahren begeistern!

Gottfried Seume (1763-1810) wird gerne zitiert: „Ich bin der Meinung, dass alles besser geht, wenn man mehr ginge“; und: „Faulheit ist die Dummheit des Körpers und Dummheit die Faulheit des Geistes“ (Zitate ca.1800).

Oder: Henry David Thoreau (1817-1862) schreibt über die Kunst des Spazierens; er kann nicht verstehen, warum die Menschen sitzen und gar die Beine übereinander schlagen, wo doch die Beine zum Gehen gemacht sind! Er selbst geht gewöhnlich vier oder mehr Stunden am Tag, um seine körperliche und geistige Gesundheit zu bewahren (Diogenes, Minute Book Nr.7, 2019).

Oder: Patrick Leigh Fermor (1915-2011) wanderte als 18-jähriger von Hoek van Holland bis Konstantinopel; er brauchte vier Jahre (1933-37) und schildert uns das alte Europa, bevor es im 2. Weltkrieg völlig zerstört wird (Buchtitel: „Die Zeit der Gaben“, 1977).

Oder: Werner Herzog (geb. 1942); in dem Buch „Vom Gehen im Eis“ (1974) beschreibt er eine Fußreise von München nach Paris. Er glaubt, er könne damit eine alte Freundin in Paris vor dem Tod bewahren; es ist eine Reise zwischen Andenken und Hoffnung. Die Dame hat tatsächlich zehn Jahre länger gelebt!

Oder: Wolfgang Büscher (geb. 1951) geht zu Fuß von Berlin nach Moskau (rororo, 2003), teils auf den historischen Wegen des Feldzugs Napoleons (1812), teils durch die Gebiete des deutsch-sowjetischen Krieges (1941-45).

Drei Monate dauerte die Reise über 2.500 km, auf der der Autor Orte und Menschen in unvergesslicher Art erkundet und beschreibt.

Oder: Hape Kerkeling (geb. 1964); der TV-Entertainer hört seine innere Stimme. Sie sagt „PAUSE“, und „er ist dann mal weg“, auf dem Weg nach Compostela. Sechs Wochen läuft er auf dem Jakobsweg, teils allein mit seinem inneren Schweinehund, aber dann doch mit anderen; er beschreibt Einsamkeit und Stille, Erschöpfung und Zweifel, Gespräche über Gott und die Welt: ein moderner Pilger eben …

Oder: Manuel Andrack (geb. 1965); Manuel Andrack begann zu wandern, als er einen sehr schmerzenden Nierenstein loswerden wollte. Es klappte, und er stellt fest: „Wandern kann so gesund sein“. Er schreibt u.a. ein Buch mit dem Titel: „Du musst wandern“ (2005). Er ging Strecken bis zu 40 km an einem Tag, so stark war der Drang. Wandern wurde zur Leidenschaft.

Die großen Wanderer erinnern uns daran, dass diese Art der Fortbewegung mehr ist als bloße Anstrengung. Sie ist auch eine Form des Besinnens, des Nachdenkens, der Erfahrung und der Flucht aus der Hektik des Lebens.

Diese großen Wanderungen muss man aber nicht unbedingt nachmachen wollen; nicht jeder hat so einen Ehrgeiz oder solch eine Konstitution.

Auch Spazierengehen ist eine kleine Wanderung, meist von der Haustür aus; man kann ins Städtchen gehen, „um den Pudding“ oder in den Park. Bewegung stärkt Kopf, Herz, Magen und Nerven – und macht nicht dick und ist gut für Beine und Arme; und: Sie kostet nichts! Keine Zeit? Das ist eine Ausrede: zu viel Zeit vertun wir mit dem Smartphone, dem Fernseher, beim Shoppen und Feiern, im Stau und beim Warten.    

Leute, bewegt euch …! Beim Wandern und Spazierengehen in unserer schönen Gegend kann man nur gewinnen; man muss sich nur die Zeit nehmen, die Stadt- und Landschaft ohne Hast erleben: ganz einfach!   

Hinweise: Das Bremer Wanderbuch von Rita Schloendorff, Schünemann Verlag, 2009

Wandern um Bremen umzu, dieselbe, 2016

Grüner wird’s nicht: WFB, die Broschüre ist an allen Infostellen (Brem. Tourismus) zu haben. Diverse Blogs unter: blog.bremen-tourismus.de; z.B.: Schloss Schönebeck und die Bremer Schweiz

Christof Steuer (Ltd. Baudirektor a.D.) Erster Vorsitzender, Förderverein Knoops Park e.V.