Ich lasse mich mit der Menschenmenge in die große Halle treiben.
Langsam geht es voran, und meine Aufregung nimmt zu.
ART BASEL ein Highlight, das jedes Jahr tausende Besucher anzieht.
Kunst und Kommerz auf höchstem Niveau.
Ich will mir selber ein Bild machen und herausfinden, was dran ist an der Kunstschwemme, überteuerten Bildern und nicht entdeckten Künstlern.

Ich bekomme ein wenig Luft, die Menschenmasse verteilt sich im Raum.
Ich nehme Kurs auf den ersten Stand. Großflächige Bilder stellen sich mir in den Weg.
„Der springende Punk“
Öl auf Leinwand
130.000 Franken
Auf einem undefinierbaren, lila Hintergrund zeigt sich in der Mitte ein kleiner gelber Punkt. Mehr nicht …, das wars ….
130.000 Franken.

Mh…, vielleicht verstehe ich das überteuerte Werk nicht.Ich gehe weiter. Stand für Stand erlebe ich eine Welt überteuerter Kunstwerke, deren Zusammenhang zwischen Motiv und Wert sich mir nicht erschließen will.

Irgendwo entdecke ich Brad Pitt.
Der gehört schon zum Inventar. Jedes Jahr zieht es ihn in die Schweiz.
Dem Kunstrausch verfallen, greift er zu, um seinen Kunstbestand zu erweitern. Sehr zur Freude der Künstler.

Nach einer zweistündigen Kunstbetrachtung verlasse ich die Halle. Ich steige auf mein Fahrrad und fahre Richtung Kleinbasel zum Binnenhafen.
Dort hat sich eine kleine Kunstszene etabliert.

Auch hier werden Werke gezeigt. Gastland Brasilien.
Kein Eintritt!
Super…
Ich gehe hinein. Und staune über die farbenfrohe Kunst, die mich einlädt zum Weiterschauen.
Ich bin begeistert.
Bezahlbare Kunst.
Ausdrucksstark und förderungswürdig.
Ich betrachte Bild für Bild. Ölmalerei, Zeichnungen usw. und treffe auf Monika, eine Künstlerin aus Basel.

Sie gehört zu den wenigen Künstlerinnen, die es geschafft hat, eine Galerie zu finden, die sie vertritt.
Der Verkauf läuft schleppend. Und am Ende bleibt nicht viel übrig.
Viele Künstler, die ich in meinen Jahren in der Schweiz kennengelernt habe, können von ihrer Kunst nicht leben. Die meisten gehen nebenbei arbeiten oder schließen sich zusammen.
Was für eine Ungerechtigkeit.
Kunstpickerei!!!!!

Ich runde den Tag ab und besuche eine Künstlerfreundin in ihrem Atelier.
Ich habe Glück.
Sie ist da.
In einem alten Arbeiterhaus hat sie sich ein kleines Atelier angemietet.
Barbara ist für mich eine der interessantesten und begabtesten Künstlerinnen. Gerade arbeitet sie an einer Federzeichnung. Größe 1m mal 1.50m.
Biotope.
Eine Serie, die hoffentlich einmal gezeigt werden kann.
Hofft sie.
So wie viele andere KünstlerInnen auch. Und die, die es nach ganz oben geschafft haben, müssen liefern, stehen unter Vertrag.
Der Druck ist groß…
Freiheit der Künstler???

Es ist Herbst 2017.
Mittlerweile habe ich der Schweiz den Rücken gekehrt und lebe wieder im Bremer Norden.
Es ist beschaulich an der Weser. Ich genieße den Spaziergang mit meinem Hund.
Loggermarkt, Maritimesfest.
Ich erinnere mich gut und freue mich, dass diese Tradition geblieben ist.
Aber wie ist es mit der Kunst?

Da ich viele Erfahrungen gesammelt habe, beschließe ich „Kunstraum77“ ins Leben zu rufen.
Es gelingt mir, einige wenige Künstler einzuladen.
Ich lasse mir mit den Gesprächen Zeit.
Die wollen mitmachen.
Unbedingt.
Endlich passiert etwas in Blumenthal, im Bremer Norden.
Die 77 ist aus der Postleitzahl entnommen.
Alle finden das gut.

Kunstraum, so meine ich, kann überall sein. Er ist nicht raumgebunden.
Und so starten wir unser erstes Projekt. Stühlerücken auf dem Blumenthaler Marktplatz. 40 grüne Stühle (gesammelt und angemalt) laden zum Verweilen und Kennenlernen ein.

Michaela Gieschen arbeitet als Künstlerin und Comiczeichnerin
In Bremen Blumenthal.