Kein ganz normaler Samstag

Unweigerlich muss ich heute, kurz vor Anpfiff des letzten Spieltages der Bundesliga, daran denken, wie Andy Brehme an der Schulter von Tante Käthe schluchzte, als der mit seinem 1.FC Kaiserslautern abge-stiegen war.

Diese Szene vom 18.Mai 1996 hat sich tief in mein Bewusstsein ein-geprägt und bleibt für immer un-vergessen. Wahrscheinlich deshalb, weil Brehme zeigte, dass auch ein Fußballerherz kein Herz aus reinem Gold ist.
Schwer vorstellbar, dass sich das im Bremer Weserstadion im Falle eines direkten Abstieges an diesem Samstag, den 26.Juni 2020, wieder-holen würde – vor leeren Rängen und am Ende auch auf ewig leeren Köpfen. Zu emotionslos und lethar-gisch waren die meisten Auftritte dieser Mannschaft in der abgelau-fenen Saison.
Was würde passieren, wenn das Un-mögliche aller Szenarien eintreten würde?

Eine ganze Region würde trauern und leiden, im Gegensatz zu den Spielern, die ihre Köfferchen packen und (mit einem neuen Söldnerver-trag ausgestattet) zu ihrem neuen Verein ziehen.
Das ganze Herzblut würden die Fans vergießen und es in Alkohol er-tränken – oder in
Tränen, die sie einsam zuhause in ihre Werder-Kissen heulen.
2004 habe ich den Triumph der Meisterschaft in meinem ersten Jahr als Wirt miterlebt und seitdem alle Bremer Spiele gesehen. Soll die-se schlechteste Saison 2019/2020 mir signalisieren, dass es an der Zeit ist die Sachen zu packen? Geht eine Ära zwischen Meisterschaft und Abstieg auf diese elendige Art und Weise zu Ende? Nein, nie und nim-mer! Das kann so nicht sein! Auch wenn mein Pachtvertrag im Horizont wegen Eigenbedarfes (je-der darf sich fragen wie dieser Ei-genbedarf wohl aussieht) zum Jah-resende gekündigt wurde, wird auch ein zusätzlicher Abstieg Werder Bremens mich nicht davon abhal-ten, kampfeslustig am sofortigen Wiederaufstieg zu basteln. Dann eben Anpfiff 13.30 Uhr mit Gulaschvergessene Drago Stepanovic sagte. Nun stehe ich da, kurz vor Anpfiff des Spiels gegen den „Effzeh“, vol-ler Galgenhumor und mit wenig Hoffnung. Wie soll das denn gehen? Selbst wenn Werder gewinnt, müss-ten die längst geretteten Unioner auch noch Düsseldorf schlagen? Hat unser „Bester“ Trainer endlich einen Plan, haben die Spieler den Mumm etwas Großes leisten zu wollen, sind Kroos, Ujah & Co ge-danklich noch nicht in Badelatschen an der Cote Azur unterwegs? Alles ist möglich, auch ein Werder-Wun-der vielleicht?
Und dann spielen sie Fußball. Ja, sie tun es, oh Gott! Irgendwann steht es 5:0 und auch in Berlin führt das richtige Team mit 2:0. Unfassbar! Die Meute tobt, das Aufatmen fegt die Hitze aus den Köpfen und dem Saal. 6:1. Relegation, ach wie ist das schön!

Der Fußball ist schon ein seltsamer Sport. Bist du am Ende 10., 11. oder 15. interessiert das keine Sau. Es wird die Meisterschaft gefeiert oder eben der Klassenerhalt.
Apropos, der muss nun irgend-wie her! Am besten in zwei Spielen gegen den Hamburger Sportverein. Es wäre die versöhnliche Krönung einer verkorksten Saison.
An was sich die Menschen in 10 Jah-ren wohl erinnern werden? Dreimal dürft ihr raten.

Udo Schmidt, unser Kultwirt aus dem
www.horizont-bremen.de