Juni
WILLKOMMEN IN DER NEUEN NORMALITÄT
Normal war ja von jeher schon etwas sehr Abstraktes und ist in der Wahrnehmung des Einzel-nen begründet. So habe ich bei der Vorbereitung zu unserer neuen Ausstellung „Ansteckende Cartoons 2020“ alle 15 teilnehmenden Künstler gebeten, mir einen kurzen Text zu schicken, wie sie diese Zeiten empfinden und der durchgängi-ge Tenor lautet: „Wir Cartoo-nisten sind ja eigentlich die Begründer des Homeoffice!“. Für sie hat sich also gar nicht so viel geändert, denn sie sind es eh gewohnt, ihren Job von zuhause zu erledigen. Doch nicht jeder kann sich zuhause so einrichten, dass es passt und ich persönlich muss sagen, dass mir mein Team doch wirklich gefehlt hat. Vor allem in kreativen Berufen ist es doch einfacher, den Kollegen mal kurz über die Schulter zu gucken und „schieb mal noch etwas nach rechts – ja – und jetzt noch einen Tacken höher“– an-zuweisen, anstatt sich ständig Dateien hin und her zu schicken. Die neue Normalität. Was mir an ihr immer noch sehr fehlt ist das Unbekümmerte – sich über jemanden zu freuen, den man lange nicht gesehen hat und einfach in den Arm zu nehmen. Obacht – du könntest dich an-stecken. Wir sind über die Mo-nate jeden Tag so stark geimpft worden, dass es ziemlich schnell zu einer neuen Normalität geworden ist, das Gegenüber erst einmal kritisch wahrzuneh-men. Ob man will oder nicht.
Und ich will das eigentlich nicht. Aber was tut man nicht alles für die eigene Gesundheit und die Rücksichtnahme auf andere. Im Moment pendele ich sehr viel zwischen Bremen und Düs-seldorf. Der große Unterschied scheint mir, dass die Düssel-dorfer keinen großen Respekt mehr vor der Pandemie haben. Rappelvolle Innenstädte, Pro-menaden und voll ausgelastete Restaurants. Den Vegesacker er-lebe ich hier doch verhaltener … Gut für die Gesundheit –schlecht für die Wirtschaft. Dieses Dilemma wird uns wohl noch eine sehr lange Zeit be-gleiten – oder eben auch zur neuen Normalität werden. Für die Veranstalter, die hier sonst ihre Termine beworben haben, ist diese Zeit ein wirkli-ches Desaster. Null Planungssi-cherheit, keine Ahnung, ob man noch einen Monat durchhält, Angst auch um die Künstler, die diese Krise wirklich stark erwischt. Alles nicht witzig. Das ganze Thema Digitali-sierung, das jetzt ganz große Wellen schlägt. Mir fällt dazu immer der Film „Wall•e“ ein, in dem die Menschen auf Schienen vor ihren Rechnern durch die Gegend fahren und ihnen Werbung gezeigt wird. Stumme Konsumenten gefan-gen vor ihren Monitoren. Zum Glück zieht es den Menschen ja immer noch nach draußen, so dass ich die Hoffnung habe, uns nicht in einer solchen Zukunft wiederzufinden.
Nichts desto trotz muss sich je-der über seinen „Vertriebsweg“ langfristige Gedanken machen. Aber ein Hafenfest oder ein Festival Maritim online zu feiern erscheint mir grotesk… Wie schade – da haben sich die Veranstalter des Hafenfestes letztes Jahr über Spenden u. Ä. über ihre leeren Kassen gerettet und dieses Jahr findet ohne, dass sie was dafür könnten das traditionsreiche Vegesacker Hafenfest nicht statt. Und wie könnte es in einem Jahr aussehen? Werden wir dann wieder „normal“ auf Großveranstaltungen gehen? Unbekümmert mit anderen schunkeln? Wir werden sehen… Bis dahin bleibt frohen
Mutes und haltet durch!
Und denkt dran:
#supportyour local